Integrationsvorbereitung und Migrationszonen
Vorschlag eines konstruktiven Mittelwegs einer europäischen Asyl- und Migrationspolitik
Warum die Politik "Hauptsache Grenzen schließen" nicht zielführend ist
- Die politische Bereitschaft von Herkunftsländern für die Rücknahme abgelehnter AsylwerberInnen sowie der Transitländer für extraterritoriale Flüchtlingslager der EU ist nicht in Sicht
- Jegliche formelle oder informelle Kooperation mit Transitländern bedeutet in den wichtigsten Fällen Zusammenarbeit mit Warlords und Inkaufnahme von Sklaverei und schweren Menschenrechtsverletzungen. Es wird nicht (nur) das Geschäftsmodell der Mittelmeerschlepper bekämpft, sondern gleichzeitig ein neues Geschäftsmodell mit in Transitländern gestrandeten Menschen unterstützt.
- Das routinemäßige Bekenntnis, dass "selbstverständlich" vor Ort geholfen und die Fluchtursachen bekämpft werden müssten und "selbstverständlich" jene, die wirklich Schutz bräuchten, diesen auch bekommen sollen, ist in mehrerer Hinsicht unglaubwürdig:
- Seit 2015 ist keine Veränderung in der Außen- und Handelspolitik festzustellen, die etwas zur Bekämpfung von Fluchtursachen beigetragen hätte. Die wirtschaftliche Abhängigkeit von aus demokratie- und friedenspolitischer Sicht problematischen Akteuren wie Russland und Saudi-Arabien wird durch die Außen- und Energiepolitik der Rechtsparteien sogar noch verstärkt.
- Solange das Botschaftsasyl nicht umgesetzt ist, müssen auch tatsächlich asylwürdige Flüchtlinge zunächst unter widrigsten Umständen und mit Hilfe von Schleppern diverse Transitländer durchqueren.
- Die Grundannahme, dass nur ein kleiner Bruchteil der versuchten MigrantInnen tatsächlich anerkennbare Asylgründe hat, entspricht nicht den bisherigen Erfahrungen bzw. Entscheidungen der Asylbehörden. Ziel ist es also offenbar, das Asylrecht entweder durch eine unsachgemäße, schikanöse Auslegung de-facto abzuschaffen ("Krieg ist kein Asylgrund"), oder die Aufnahme von Flüchtlingen gänzlich auf die unmittelbaren Nachbarländer der Konfliktherde ("sichere Drittländer") abzuwälzen.
- Daher ist auch der Verdacht angebracht, dass die Einrichtung von extraterritorialen Flüchtlingslagern dazu dient, der öffentlichen Aufmerksamkeit und Beobachtung der Einhaltung der Menschenrechte sowie rechtstaatlicher Standards im Asylverfahren zu entgehen (wie auch beim "Vorbild" Australien). Eine derartige "Lösung" des Migrationsdrucks reduziert zugleich auch wieder die ohnehin zu schwachen Bemühungen zur Bekämpfung der Fluchtursachen.
- Sich generell aus der Asylgewährung davonstehlen zu wollen anstatt im Rahmen der Weltgemeinschaft einen angemessenen Beitrag zu leisten wäre menschenverachtend und unsolidarisch und kann uns früher oder später auf den Kopf fallen, wenn wir selbst Hilfe brauchen. Eine völlige Abschottung gegenüber jeglicher Migration ist alleine deshalb abzulehnen, als wir im Zuge der Globalisierung mit dem Bezug von Ressourcen aus Konfliktregionen und inakzeptablen Produktionsbedingungen selbst in die Fluchtursachen involviert sind.
Warum die Politik "Hauptsache Flüchtlinge aufnehmen" nicht zielführend ist
- Die ungeregelte Aufnahme von Menschen aus Konfliktgebieten birgt grundsätzlich die Gefahr, mit den unterschiedlichen Konfliktparteien auch den Konflikt an sich nach Europa zu importieren.
- Sowohl im Rahmen der Flüchtlingsströme, vor allem aber auch im Zuge bereits früher stattgefundener Migration sind neben anderen auch zunehmend solche Menschen nach Europa gekommen, deren Verhalten mit den europäischen Normen hinsichtlich Toleranz und Gleichberechtigung unvereinbar ist und somit für die EuropäerInnen diese hart erkämpften Errungenschaften gefährdet.
- Die Persistenz inakzeptabler Wertvorstellungen in Parallelgesellschaften führt das Asylsystem insofern ad absurdum, als Flüchtlinge möglicherweise in einer Community landen, in der sie das vorfinden, wovor sie flüchten wollten. Wenn innerhalb der EU beispielsweise TschetschenInnen nicht offen homosexuell sein können oder AfghanInnen nicht zum christlichen Glauben konvertieren können, hat das Asylsystem grundlegend versagt.
- Keine Aufnahmegesellschaft kann es langfristig ertragen, wenn ein erheblicher Teil der EinwandererInnen die Lebensweise der ansässigen Bevölkerung verachtet.
Abgesehen vom jeweiligen individuellen Verhalten der einzelnen Personen wurden diese Entwicklungen durch die kurzsichtige Politik verschärft, Arbeitsmarktzugang und Integrationsmaßnahmen erst anerkannten Flüchtlingen nach jahrelangem Warten auf den Ausgang des Verfahrens angedeihen zu lassen. Ähnlich schädlich ist aber auch eine zu nachsichtige, scheinbar menschlich-tolerante Vorgehensweise: Auch der pauschale Freispruch ist ein ungerechtfertigtes Pauschalurteil, das falsche Verhaltensanreize setzt.
Mit einer durchdachten Begleitung und Steuerung der Migration kann Europa einen größeren Beitrag zum weltweiten Bedarf an Flüchtlingshilfe leisten und muss dabei weniger Nachteile und Risiken in Kauf nehmen, als nach einem faktischen "Die-Stärksten-kommen-durch"-Prinzip. Eine solche Begleitung und Steuerung der Migration könnte folgendermaßen erfolgen:
Einwanderungs- und Aufenthaltsvoraussetzungen
Um sich innerhalb des gewöhnlichen EU-Territoriums im Kontakt mit der ansässigen Bevölkerung niederlassen und frei bewegen zu dürfen, werden folgende Voraussetzungen verlangt:
- Entweder ein anerkannter Fluchtgrund nach humaner Auslegung (d.h. Anerkennung von Krieg als Fluchtgrund sowie ein faires Asylverfahren mit realistischen Beweiserfordernissen) ODER Qualifikationen, die in Höhe und Ausrichtung den Bedürfnissen des Arbeitsmarkts (der EU insgesamt oder einzelner möglicher Zielländer) entsprechen.
- Soweit wie möglich Prüfung auf Beteiligung an Kriegsverbrechen
- Teilnahme an einer integrationsvorbereitenden Einführung in Lebensweise und gesellschaftliche Grundsätze in Europa mit folgenden Inhalten:
- Verhältnis von Staat und Religion
- Gleichberechtigung von Mann und Frau
- Die Rolle der Familie versus individueller Freiheit
- Toleranz in verschiedensten Dimensionen (Nationalität, Religion, sexuelle Orientierung...)
- realistische Vorstellungen des vorhandenen Wohlstands und seiner Verteilung (dass viele teure Autos auf der Straße stehen bedeutet beispielsweise nicht, dass jedeR eines hat!)
Sobald ein konkretes Zielland innerhalb der EU feststeht, könnten auch bereits allererste Sprachkenntnisse in Kursen erworben werden. Nachdem die eigentliche Integration nur innerhalb der Gesellschaft erfolgen kann, soll dieses Programm aber insgesamt eher Crash-Kurs-Charakter haben und die Integration vorbereiten: Es gilt, unmittelbar im Zuge der Ankunft klarzumachen, nach welchen Grundregeln und Grundwerten die europäischen Gesellschaften funktionieren und dass man als EinwanderungswilligeR nur die Wahl hat, diese zu akzeptieren, oder sich die Einwanderung wieder zu überlegen. Keinesfalls sollte die bisherige Praxis fortgesetzt werden, dass die Integrationsmaßnahmen oft viel zu spät greifen, weil die Betroffenen während des langen Asylverfahrens vom Arbeitsmarkt ferngehalten wurden und sich ihre Kontakte in Parallelgesellschaften mit vielfach inkompatiblen Wertvorstellungen verfestigt haben.
Zweifellos ist der Einwand berechtigt, dass nicht mit Sicherheit festgestellt werden kann, ob die vermittelten Inhalte tatsächlich akzeptiert werden, oder ob nur vorgetäuscht wird, sich an diese Regeln und Werte halten zu wollen. Eine erhebliche Verbesserung gegenüber der bisherigen Praxis ist dennoch gegeben, da nicht jedeR eineR guteR SchauspielerIn ist und sich zumindest hinterher niemand darauf berufen kann, nicht entsprechend vorbereitet worden zu sein.
Zwei Typen von Migrationszonen innerhalb der EU
Um weder bedingungslos auf die Zusammenarbeit mit politisch und menschenrechtlich problematischen Herkunfts- und Transitländern angewiesen zu sein, noch den MigrantInnen sofort nach Ankunft die volle Bewegungsfreiheit innerhalb der ansässigen Bevölkerung ermöglichen zu müssen, sind Flächen innerhalb der EU erforderlich, in denen die erwähnten Programme durchgeführt werden können. Dieser "n+1. EU-Staat" könnte aus mehreren Enklaven bestehen, die jedoch eine gewisse Mindestgröße aufweisen sollten, sodass sie nicht unbedingt Gefängnis- oder Lagercharakter haben und ein praktikables Verhältnis von Fläche zu Grenzlänge eingehalten wird. In erster Linie kämen nicht mehr benötigte Truppenübungsplätze in Frage, die meist auch bereits eingezäunt sind und einen Flughafen aufweisen. Möglicherweise könnten aber auch rekultivierte Bergbaugebiete oder andere größere zusammenhängende, unbewohnte Gebiete herangezogen werden, die entweder bereits in staatlichem Besitz sind, oder angekauft werden können.
Diese Zonen wären wiederum in zwei Typen einzuteilen:
- Kurzfristige Transitzonen, in denen die Einwanderungswilligen maximal einige Monate bleiben, bevor sie sich regulär in der EU niederlassen dürfen
- Längerfristige Aufenthaltszonen, in die Einwanderungswillige gebracht werden, die die Anforderungen für die reguläre Einwanderung nicht (mehr) erfüllen
Durch diese Trennung soll verhindert werden, dass neu ankommende MigrantInnen zur Integrationsvorbereitung in ein Umfeld kommen, das bereits von Menschen dominiert ist, die sich der Integration verweigern.
Mögliche Migrationsbewegungen

- Herkunfts- oder Transitland > reguläres EU-Territorium: Bei Nachweis der Voraussetzungen inkl. positiver Integrationsvorbereitung bereits im Ausland (z.B. an Botschaften und Kulturinstituten)
- Herkunfts- oder Transitland > Transitzone
- EU-Außengrenze oder erstmaliger Aufgriffsort innerhalb der EU > Transitzone
- Transitzone > reguläres EU-Territorium (nach Nachweis der Voraussetzungen inkl. positiver Integrationsvorbereitung in der Transitzone)
- Transitzone > Aufenthaltszone (bei fehlenden bzw. nicht anerkannten Voraussetzungen und/oder verweigerter bzw. erfolgloser Integrationsvorbereitung)
- reguläres EU-Territorium > Aufenthaltszone (nach relevanten Straftaten oder sonstigem Entfall der Aufenthaltsvoraussetzungen)
- Aufenthaltszone > Transitzone: "Zweite Chance" auf Antrag mit Vorbringen neuer Voraussetzungen oder neuerlicher Bereitschaft zur Integrationsvorbereitung
- Transitzone > Herkunfts- oder Transitland: Freiwillige Rückkehr bei Nicht-Akzeptanz der Einwanderungsbedingungen
- Aufenthaltszone > Herkunfts- oder Transitland: Abschiebung, sofern Rücknahme garantiert und menschenrechtlich möglich; ansonsten nur freiwillige Rückkehr
Verwaltung der Migrationszonen und Lebensbedingungen in diesen
- Einheitliche Verwaltung durch EU-Institutionen sowie einheitliche Asylverfahren ungeachtet der konkreten geographischen Lage
- Hinsichtlich Einreiseerlaubnis dank Qualifikation ggf. unterschiedliche Kriterien je nach angestrebtem Zielland (+anschließend für einige Jahre auf dieses Land beschränkte Arbeitserlaubnis)
- Für EU-Bürger und alle, die sich in der restlichen EU aufhalten dürfen, sind auch die Migrationszonen zugänglich, somit automatisch auch für JournalistInnen, NGOs etc.
- Innerhalb der Transitzone dürfen sich auch die dort aufhältigen MigrantInnen frei bewegen. Ein möglicher Verkehr zwischen einzelnen Enklaven, die diese bilden, ist zwar technisch aufwändig (per Flugzeug oder als entsprechend überwachter Transit durch das reguläre EU-Territorium) und daher in der kurzen angestrebten Aufenthaltszeit eher unrealistisch, sollte aber dennoch ermöglicht werden, um beispielsweise Verwandte nach langer Zeit wieder treffen zu können und um auch generell einen Gefängnis- oder Lagercharakter kleinerer Enklaven zu vermeiden.
- Zwischen den einzelnen Enklaven oder Bereichen der Aufenthaltszonen kann, auch individuell, die Bewegungsfreiheit taktisch eingeschränkt werden, um die Bildung problematischer größerer Gruppierungen (z.B. aus ehemaligen Bürgerkriegsfraktionen) zu erschweren.
- Sowohl in Transit- als auch in Aufenthaltszonen können und sollen die BewohnerInnen arbeiten: Zum einen zur Deckung der Nachfrage dieser Zonen nach Gütern und Dienstleistungen selbst, möglicherweise aber auch zur Produktion von Gütern, die ohnehin großräumig am Weltmarkt gehandelt werden, sodass es im Vergleich zu bereits bestehenden Billiglohnregionen (z.b. Ostasien) zu keiner wesentlichen, neuen Konkurrenz für den EU-Arbeitsmarkt kommt. Arbeitsplätze können sowohl von der Administration des jeweiligen Gebiets geschaffen und verwaltet werden, als auch von Unternehmen, die sich in diesen Zonen ansiedeln.
- Es soll nicht möglich sein, aus den Migrationszonen Geld in die Herkunftsländer zu schicken, um Angehörige dort zu unterstützen, oder Schulden bei SchlepperInnen zu bezahlen. Dies soll entweder durch Sach- statt Geldleistungen, oder mittels eines Gutschein- oder Sonderwährungssystems verhindert werden. Bereits in das reguläre EU-Territorium eingewanderte Menschen sollen freilich die volle Souveränität über ihr Einkommen haben, sollen aber unterstützt und informiert werden, wie sie Erpressungsversuchen durch SchlepperInnen ausweichen und sich vor Ausbeutung durch Schwarzarbeit oder Zwangsprostitution schützen können.
- Das Leben in den Migrationszonen muss menschenwürdig sein im Sinne ausreichender Versorgung und adäquater Unterbringung und auch seitens der Zonenverwaltung organisierte Arbeit der BewohnerInnen darf nicht den Charakter von Zwangsarbeitslagern annehmen. Je nach Entwicklung der einzelnen Migrationsströme ist schlussendlich dennoch das Problem denkbar, dass der Platz in den Aufenthaltszonen knapp wird, sodass in gewissem Ausmaß auch darauf zu achten ist, dass eine freiwillige Rückkehr aus diesen Zonen in die Herkunftsländer halbwegs attraktiv ist bzw. umgekehrt es nicht als lohnend wahrgenommen wird, von vornherein einen Einwanderungsversuch zu unternehmen, der planmäßig in die Aufenthaltszone führt.
Das beschriebene Modell von Einwanderungsbedingungen und Migrationszonen verhindert riskante Mittelmeerüberfahren und das Geschäftsmodell von SchlepperInnen mindestens ebenso wirksam, wie ein verstärkter Grenzschutz, zugleich bliebe Europa aber seinen menschenrechtlichen Verpflichtungen treu. Der Zusammenhalt der Gesellschaft wird wiederum weit weniger gefährdet, als durch völlig ungesteuerte Migration. Die neuen Regeln müssten allerdings auch intensiv in die Herkunfts- und Transitländer kommuniziert werden, um ihre Wirkung zu erzielen.
Fraglich ist zuletzt, ob Teile des neuen Konzepts in einer Übergangsphase auch auf bereits in der Vergangenheit eingewanderte Menschen anzuwenden wären. Eine gezielte Kommunikation der im Rahmen der Integrationsvorbereitung zu vermittelnden Werte und Regeln des Zusammenlebens kann definitiv auch gegenüber bereits bestehenden Gruppen nicht schaden, sei es in der Art von Medienkampagnen oder als Intensivworkshops aus Anlassfällen (ähnlich wie Führerschein-Nachschulungen). Jedenfalls wären die Aufenthaltszonen für jene Menschen prädestiniert, die mangels jeglicher Aufenthaltsvoraussetzungen und/oder wegen begangenen Straftaten längst abgeschoben werden sollten, von ihren Herkunftsländern aber nicht zurückgenommen werden.