Bausatz zur individuellen Wärmedämmung und Heizungs-Dekarbonisierung

Ausgangslage und Aufgabenstellung

Bis vor wenigen Jahren konzentrierten sich die Bemühungen zur Wärmedämmung von Gebäuden und zur Umstellung auf von fossilen Energieträgern unabhängige Heizsysteme auf maximale energietechnische Effizienz und auf Gebäude, bei denen diese Maßnahmen technisch und administrativ am einfachsten umzusetzen waren. Bautechnisch schwierigeren Fällen, beispielsweise denkmalgeschützten und gegliederten Fassaden sowie soziodynamischen, rechtlichen und administrativen Hindernissen wurde relativ wenig Aufmerksamkeit beigemessen.
Mittlerweile ist die Klimakrise weit fortgeschritten. Die Ambition, die Treibhausgasemissionen EU-weit bis 2030 um 55% zu senken und dies auch mit der Einbeziehung des Heizsektors in ein Emissionshandelssystem ab 2026 zu erreichen läuft, wenn keine radikalen ordnungspolitischen Maßnahmen wie beispielsweise eine Sanierungspflicht ergriffen werden, auf eine enorme Verteuerung fossiler Heizenergieträger innerhalb weniger Jahre hinaus. Daraus folgt die Aufgabenstellung, rasch umsetzbare Lösungen zu finden, selbst wenn diese hinsichtlich technischer Effizienz oder Wirtschaftlichkeit (unter bisherigen Bedingungen) etwas schlechter abschneiden als bisher üblichere Verfahren von Wärmedämmung und Heizungstausch.

Konkret bestehen folgende Anforderungen an die Lösung:

  • Individuelle Anwendbarkeit:
    • Die Lösung soll technisch für eine einzelne Wohnung sinnvoll anwendbar sein
    • Die Lösung soll in einer Eigentumswohnung ohne Zustimmung der übrigen Eigentümer*innen anwendbar sein
    • Die Lösung soll in möglichst vielen Mietverhältnissen ohne Zustimmung des*der Vermieters*in anwendbar sein
    • Möglichst viele Komponenten sollen wieder ausgebaut und woanders weiter verwendet werden können, falls die individuelle Lösung durch eine hausweise Lösung obsolet wird oder der*die Mieter*in auszieht.

  • Geringer baulicher Aufwand vor Ort:
    • Die Montage soll ohne Gerüst und ohne Baumaschinen erfolgen
    • Ein möglichst großer Wertschöpfungsanteil soll auf Serienfertigung entfallen, für die Montage soll möglichst wenig Bedarf an spezialisiertem Personal anfallen

  • Hohe bauphysikalische Qualität:
    • Zuverlässige Vermeidung von Mauerfeuchte und Schimmelbildung
    • Vereinbarkeit von gutem Luftaustausch und Reduktion des Heizenergiebedarfs nach dem Stand der Technik

Baukastensystem für Innendämmung

Die Anforderungen der einfachen Montage unabhängig von Miteigentümer*innen oder Vermieter*innen legen eine Realisierung als Innendämmung nahe. Um den Verlust an Wohnraum gering zu halten eignen sich hocheffiziente Dämmstoffe wie z.B. das unbrennbare Aerogel, das mit 5 cm Dämmstärke gleich hohe Wärmedurchgangswiderstände erzielt wie konventionelle Dämmstoffe von 15-20 cm Stärke. Zur Vermeidung von Kondenswasserbildung ist der Dämmstoff innenseitig mit einer Dampfbremse beschichtet, zusätzlich ist zwischen Dämmstoff und Mauer ein Luftspalt vorgesehen. Ähnlich wie der Wohnraum wird auch dieser Zwischenraum gezielt mit Außenluft belüftet, wobei ein Wärmetauscher eingesetzt wird, um mit der Wärme der Abluft die Zuluft aufzuwärmen. So kann durch die Spalten der Dämmung diffundierende Luftfeuchtigkeit abgeführt werden, bevor der Wassergehalt der Luft im Zwischenraum so weit ansteigt, dass es zur Kondensation an der relativ kalten Mauer kommt.


Die Dämmschicht besteht aus Bausteinen unterschiedlicher Art:

  • An Decke und Zwischenwänden zu befestigende Dämmkeile
  • Dämmkeil erhöhter Trittfestigkeit (der der Wand nächste Teil des Fußbodens muss ersetzt werden)
  • Ausziehbare Dämmbausteine zur Längenanpassung
  • Steckbare Dämmbausteine ohne weitere Funktion

Lüftungs-Wärmetauscher im Fensterbereich

Zwecks Vereinbarkeit von Wärmedämmung und Raumlufthygiene ist eine kontrollierte Wohnraumlüftung erforderlich: Sehr häufiges händisches Lüften würde zu großen Wärmeverlusten führen und damit die Dämmung konterkarieren. Selten zu lüften ist gerade mit Innendämmung ungesund, weil es entweder bei eher luftdurchlässiger Dämmschicht zu Kondensation und Schimmelbildung zwischen Dämmung und Außenmauer kommen kann oder bei guter Abdichtung der Dämmschicht mit Dampfbremsen bzw. Dampfsperren der Luftaustausch zwischen Innenraum und Außenluft noch schlechter ist als ohne Dämmung.
Kontrollierte Wohnraumlüftung bedeutet, dass mit Gebläsen Raumluft hinausgeblasen und Frischluft angesaugt wird, wobei die zwei Luftströme durch einen Wärmetauscher geleitet werden, sodass der Großteil der Wärme der Abluft auf die Frischluft übertragen wird. Der Wärmeverlust fällt dadurch viel geringer aus, als beim händischen Lüften durch regelmäßiges Öffnen der Fenster.

Um für die kontrollierte Wohnraumlüftung keine neuen Öffnungen in die Außenmauer bohren zu müssen werden die bestehenden Fensteröffnungen genützt: Zunächst werden ohnehin neue Fenster in der Ebene der Innendämmung angebracht um Wärmebrücken bzw. komplizierte Dämmkonstruktionen im Bereich der Fensterlaibung zu vermeiden. Die bestehenden Fenster bleiben in einer leicht aufgeschwenkten Position, wobei im entstehenden Spalt der Wärmetauscher und die Öffnungen für Zu- und Abluft untergebracht werden. Der Rest des Spalts wird mit einem an die jeweiligen Fenstermaße angepassten Keil verschlossen.
Die Temperatur des Zwischenraums zwischen Innendämmung und Außenmauer ergibt sich aus den Innen- und Außentemperaturen sowie dem Verhältnis der Wärmedurchgangswiderstände von Mauer und Dämmstoff. Dementsprechend ist zwischen der warmen und der kalten Seite des Wärmetauschers je ein Abzweig für die Lüftung des Zwischenraums angebracht.

Kombination mit einer Luft-Wärmepumpe

Ist das Haus bzw. die Wohnung bislang mit keiner effizienten, mit erneuerbarer Energie betriebenen Heizanlage ausgestattet kommt für eine individuelle Dekarbonisierung der Heizung nur eine Luft-Wärmepumpe in Frage. Dabei sind folgende Herausforderungen zu bedenken:

  • Aufgrund der verglichen mit einer Grundwasser- oder Erdwärmepumpe geringeren Wintertemperatur der Außenluft ist eine Luftwärmepumpe weniger effizient. Idealerweise sollte sie also so gestaltet bzw. montiert werden, dass sie später an eine Erd- oder Grundwasserwärmesonde angeschlossen werden kann, falls die Hauseigentümer*innen gemeinsam eine solche errichten lassen.

  • Wärmepumpen, besonders Luftwärmepumpen funktionieren nur mit einer geringeren Vorlauftemperatur als beispielsweise Gasheizungen. Nachdem eine Fußbodenheizung nicht gerade der Zielsetzung einer einfachen Montage entspricht kann die Heizung nur mit Niedertemperaturheizkörpern erfolgen, die bei gleicher Leistung größer sind als konventionelle Heizkörper und mit möglichst lärmarmen Ventilatoren ausgestattet sind um die Wärmeabgabe zu verbessern. Das Problem verringert sich allerdings dadurch, dass dank der Dämmung viel weniger Heizleistung benötigt wird als zuvor.

  • Bei außergewöhnlich niedrigen Außentemperaturen kann die Luftwärmepumpe keine ausreichende Vorlauftemperatur mehr erzeugen. Üblicherweise wird deshalb zusätzlich ein einfacher Heizwiderstand (Heizstab) installiert, was jedoch den Nachteil hat, dass der Stromverbrauch in diesem Fall sprunghaft ansteigt, weil ausgerechnet bei maximaler benötigter Heizleistung die gesamte Heizenergie aus dem Stromnetz kommen muss während ansonsten der Großteil davon der Umgebungsluft entnommen wird und der Stromverbrauch der Wärmepumpe nur grob ein Viertel der bereitgestellten Heizenergie ausmacht. Die Kombination aus einem Ausstieg aus fossiler Stromerzeugung und breiter Anwendung von Luftwärmepumpen könnte daher an besonders kalten Tagen zur Überlastung der Stromversorgung führen, was für die einzelnen Wohnungsbewohner*innen das Risiko birgt, nicht mehr ausreichend heizen zu können.
    Eine pragmatische Backup-Lösung für diese Situation wäre die Integration eines Ethanol-Brenners in die Heizung. Die Nachteile der händischen Brennstoffbevorratung und -nachfüllung sowie der teilweisen Konkurrenz zur Lebensmittelproduktion wären in sehr begrenztem Maß in Kauf zu nehmen, insbesondere wenn gleichzeitig die Ethnol-Beimischung zu Ottokraftstoffen aufgrund der Umstellung auf batterieelektrische Fahrzeuge obsolet wird.

Untervariante mit Wärmepumpenveranda

Soll es zu keinerlei Veränderung der Außenseite des Hauses kommen (also außerhalb der bestehenden Fenster), so kann der bestehende Fensterflügel gänzlich entfernt und die neue dämmende Gebäudehülle aus Innendämmung und neuen Fenstern mit einer in den Innenraum hineinragenden Ausbuchtung versehen werden, in der ein konventionelles Luftwärmepumpen-Außengerät untergebracht wird:


Um die Belichtung des Innenraums nicht zu beeinträchtigen müsste eine solche Ausbuchtung möglichst an allen Seiten aus Fenstern zusammengesetzt werden. Sie bedeutet zweifellos einen Wohnraumverlust wenngleich beispielsweise ein Sitzmöbel darunter noch gut Platz finden müsste. Je nach Größe der Wohnung würde eine oder zwei derartige Wärmepumpen-Veranden genügen, keinesfalls müssten alle Fenster so umgestaltet werden.
Der Zu- und der Abluftstrom des Wärmepumpen-Außengeräts werden durch eine weitere Glasscheibe voneinander getrennt um eine Vermischung der wärmeren Zuluft mit der kälteren Abluft zu vermeiden. Der Wärmetauscher der kontrollierten Wohnraumlüftung wird an der Unterkante des ehemaligen Fensters angebracht, sofern nicht ohnehin genügend andere Fenster mit Wärmetauschern, aber ohne Wärmepumpe vorhanden sind.
Sollte das ständig offene (ehemalige) Fenster als Beeinträchtigung des Stadtbilds kritisiert werden könnte der Fensterflügel über die Sommermonate wieder eingesetzt und nur in den Wintermonaten abgenommen und gelagert werden.

Untervariante mit Fensterlaibungs-Wärmepumpe

Wenn die Fensterlaibung noch als jener Bereich angesehen wird, an dem die Mieter*innen oder Eigentümer*innen der einzelnen Wohnungen Veränderungen vornehmen dürfen und solche kleineren Änderungen auch ästhetisch eher akzeptiert werden als die plumpe Montage von Wärmepumpen- bzw. Klimaanlagen-Außengeräten an der Hausfassade, so ergibt sich eine weitere Möglichkeit: Anstelle der bisher üblichen Wärmepumpen-Außengeräte werden besonders schlanke Wärmetauscher mit vielen kleinen Ventilatoren konstruiert und entlang der oberen und seitlichen Flächen der Fensterlaibung angeordnet. Die untere Kante des Fensters wird für die Ein- und Auslässe der kontrollierten Wohnraumlüftung verwendet. In diesem Fall müsste kein Wohnraum für das Wärmepumpen-Außengerät geopfert werden. Das Fenster, die Wärmepumpe und die kontrollierte Wohnraumlüftung könnten als ein kompakte Einheit konstruiert werden, die lediglich an die Stromversorgung anzuschließen ist und keine weitere Heizungsinstallation erfordert. In größeren Wohnungen wären aber vermutlich mehrere solche Wärmepumpenfenster erforderlich um insgesamt auf eine ausreichende Heizleistung zu kommen und diese auf alle Zimmer zu verteilen.


Eine Serienfertigung der vorgeschlagenen Komponenten und ihre großflächige Anwendung könnte erheblich zum Gelingen der Energiewende ohne soziale Verwerfungen, aber auch zur Steigerung der Unabhängigkeit Europas von Energieimporten beitragen. Der Ersatz primitiver Elektro-Widerstandsheizungen (neuerdings häufig unter dem Euphemismus "Infrarot-Heizung" verkauft) durch Wärmepumpen sowie die Reduktion des Heizenergiebedarfs durch die Wärmedämmung tragen dazu bei, dass auch der benötigte Strom für jene zusätzlichen Wärmepumpen nachhaltig bereitgestellt werden kann, mit denen Gas- oder Ölheizungen ersetzt werden.

Kontakt: Harald Buschbacher * * * E-Mail * * * Website